Symposium »Kunst der Oberfläche – Operette zwischen Bravour und Banalität«

Die Operette genoss und genießt auch heute noch in der Musiktheaterpraxis einen mitunter zweifelhaften Ruf – zu leicht, zu albern, zu kitschig und vor allem zu oberflächlich. Flankiert wird diese Haltung von einer Opern- und Theaterforschung, die dieses Genre nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt – nicht zuletzt aufgrund Theodor W. Adornos immer noch nachwirkender Charakterisierung der Berliner Operette als »abscheuliche Ausgeburt«. Seit einigen Jahren kann jedoch eine Veränderung in dieser Wahrnehmung, eine regelrechte Renaissance der Operette beobachtet werden – nicht zuletzt an der Komischen Oper Berlin unter der Intendanz von Barrie Kosky. Hier widmet sich vom 31. Januar bis zum 02. Februar 2015 ein Symposium unter dem vieldeutigen Titel Kunst der Oberfläche. Operette zwischen Bravour und Banalität dem allzu lang missachteten Genre. Renommierte Musik-, Theater- und Kulturwissenschaftler und Philosophen aus Europa und den USA sowie namhafte Operettenkünstler diskutieren an drei thematisch gegliederten Tagen über das kreative und diskursive Potential, das in der Arbeit an und mit der Oberfläche steckt.

Konzeption: Bettina Brandl-Risi, Clemens Risi (ITM) und Dramaturgie der Komischen Oper Berlin.

Programm

Veranstaltungsort: Komische Oper Berlin, Behrenstraße 55-57, 10117 Berlin.

Samstag, 31. Januar 2015 (Probebühne 3)

Sektion 1 – Hochkultur und Entertainment: Operette zwischen E und U

Die historischen, vor allem durch Adorno geprägten Diskurse über das »Ernste« und das »Unterhaltsame/Leichte« werden kritisch beleuchtet und hinsichtlich ihrer Relevanz für die kulturellen Praktiken der Gegenwart befragt, sowie Formen des Populären in der Operette genauer in den Blick genommen.

  • 11:00-11:15 Uhr
    Begrüßung und kurze Einführung ins Tagungsthema durch Ulrich Lenz (Chefdramaturg Komische Oper Berlin) sowie Prof. Dr. Bettina Brandl-Risi und Prof. Dr. Clemens Risi (beide Universität Erlangen-Nürnberg)
  • 11:15-13:00 Uhr
    E und U? Wovon reden wir da überhaupt?
    Podiumsdiskussion mit Barrie Kosky (Intendant und Chefregisseur Komische Oper Berlin), Georg W. Bertram (Freie Universität Berlin), Wayne Heisler (The College of New Jersey) und David J. Levin (University of Chicago). Moderation: Ulrich Lenz
  • 15:00-15:30 Uhr
    Katharine Mehrling liest und singt Adorno
  • 15:30-16:15 Uhr
    So müssten Operetten sein – Adorno über Revue und Bordell
    Doppelvortrag von Iris Dankemeyer (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg) und Rainer Simon (Referent des Intendanten der Komischen Oper Berlin)
  • 16:45-17:30 Uhr
    Populäre »afroamerikanische« Musikformen in Operette und Revue, Deutschland 1900-1925
    Vortrag von Jens Gerrit Papenburg (Humboldt-Universität zu Berlin)
  • 19:30 Uhr  Filmvorführung Der Kongreß tanzt (1932)
    Vorab:
    1. Operetten-Filme als »vernacular avant-garde«?
    Vortrag von Carolyn Abbate (Harvard University)
    2. Filmeinführung von Rainer Rother (Leiter der Deutschen Kinemathek Berlin);
    im Anschluss:
    Gespräch mit Carolyn Abbate und Rainer Rother

Sonntag, 01. Februar 2015 (Probebühne 3)

Sektion 2 – Stars und Diven: Genregrenzen und der Charme der Überforderung

Der Forderung nach der Überschreitung von Genregrenzen und nach performativen Hybridformen, die in der experimentellen, zeitgenössischen Musiktheaterpraxis immer wieder laut wird, folgt ihr scheinbarer Gegenpol, die Operette, seit jeher. Derlei Grenzüberschreitungen sind Gegenstand einer eingehenderen Betrachtung und Analyse, gerade in Hinblick auf die besondere Qualität der Stars der Operette.

  • 11:00-11:45 Uhr
    Diven-Talk mit den Hauptfiguren aus Clivia,Eine Frau, die weiß, was sie will! und Die Herzogin aus Chicago: Clivia Gray (Christoph Marti), Manon Cavallini (Dagmar Manzel) und Edith Rockefeller (Gayle Tufts). Moderation: Ulrich Lenz
  • 11:45-12:30 Uhr
    Die extravagante Frau. Über die Treue der Operette zu einer Kunstfigur
    Vortrag von Ethel Matala de Mazza (Humboldt-Universität zu Berlin)
  • 14:30-15:15 Uhr
    »Eine Sünde wert«: Operette als künstlerischer Seitensprung.Die genreüberspringenden Grenzgänger Käthe Dorsch und Richard Tauber
    Vortrag von Stefan Frey (Ludwig-Maximilians-Universität München)
  • 15:30-17:00 Uhr
    Was braucht’s zum Operettenstar? Wie lässt sich heute Operette inszenieren?
    Podiumsdiskussion mit Tobias Bonn (Geschwister Pfister), Helmut Baumann (Schauspieler und langjähriger Intendant des Theaters des Westens), Agnes Zwierko (Sängerin), Marion Linhardt (Universität Bayreuth), Ryan Minor (Stony Brook University); Moderation: Johanna Wall (Dramaturgin Komische Oper Berlin) und  Prof. Dr. Clemens Risi (Universität Erlangen-Nürnberg)

Montag, 02. Februar 2015 (Foyer)

Sektion 3 – Operette als gesellschaftlicher/kultureller/technologischer Seismograph

Die Verflechtung von theatralen Praktiken der Operette mit neuen Medien und Technologien (Tonfilm, Schallplatte etc.) sowie der Umgang mit Körpern und Geschlechtern auf und vor der Bühne soll ebenso näher beleuchtet werden wie die Verortung des Genres Operette in der Metropolenkultur der 1920er und 30er Jahre bzw. im Spannungsfeld von Ideologie und Politik der 1930er und 40er Jahre.

  • 11:00-11:45 Uhr
    Operetta’s Critical Engagements? #1: Bodies and Gender
    Podiumsdiskussion in englischer Sprache mit Bonnie Gordon (University of Virginia), Tobias Becker (German Historical Institute London). Moderation: Pavel B. Jiracek (Dramaturg Komische Oper Berlin)
  • 12:00-13:15 Uhr
    Operetta’s Critical Engagements? #2: Mediation and Circulation
    Podiumsdiskussion in englischer Sprache mit Christopher Morris (National University of Ireland Maynooth), Arman Schwartz (University of Birmingham), Heather Wiebe (King’s College London), Flora Willson (King’s College Cambridge). Moderation: Prof. Dr. Bettina Brandl-Risi
  • 15:00-15:45 Uhr
    »Solang noch Untern Linden…«
    Vortrag von Daniel Morat (Freie Universität Berlin)
  • 15:45-16:45 Uhr
    Konkav und Konvex: Operette als Spiegel der Zeitläufe 1933-1945 und »… die Liebe hat uns gleichgeschaltet.« – Volksgemeinschaftliche Ideologie und Operette im NS-Staat
    Doppelvortrag von Kevin Clarke (Operetta Research Center Amsterdam) und Matthias Kauffmann (Ludwig-Maximilian-Universität München)
  • 17:15-18:00 Uhr
    Operettokratie
    Kollektive Feldforschung zur Zukunft der Operette mit der Performancegruppe Interrobang (Probebühne 1)
  • 22:30 Uhr
    Renaissance eines vernachlässigten Genres – warum?
    Abschlussdiskussion mit Carolyn Abbate, Bettina Brandl-Risi, David J. Levin, Clemens Risi, Kai Tietje (Dirigent und Musikalischer Leiter von Clivia). Moderation: Ulrich Lenz

Das Symposium wird in Kooperation mit der University of Chicago, der Universität Erlangen-Nürnberg und der internationalen Fachzeitschrift The Opera Quarterly veranstaltet und von der Rudolf Augstein Stiftung gefördert.